Kunterbunt Brief vom 08.06.2020

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Liebe Freunde von Kunterbunt e.V. , liebe TeilnehmerInnen an den Reisen, liebe Eltern, ?liebe Heimleiter, liebe Betreuende,?

Ich hoffe es geht euch gut.

Wir waren wieder einpaar Tage in Niederbayern bei Bärbels Mutter.  Eineinhalb Stunden mit dem Auto und wir sind - in einer anderen Welt. Dort sind andere Dinge wichtig. Bärbels Mutter ist schon über neunzig und voller Geschichten von früher. Sie freut sich über den Apfelstrudel, den wir ihr aus Murnau mitbringen. Sie genießt es, wenn wir am Abend nach der Arbeit zusammen Brotzeit machen. In Thann haben wir noch einen großen Raum gestrichen und eine ziemlich lange Hecke geschnitten. Für die Arbeit draußen hatten wir am Samstag Glück mit dem Wetter. Erst am Abend hat es dann so richtig geduscht…
Dort gibt es für uns immer etwas im Haus oder im Garten zu tun. Am Abend sitzen wir für ein Kartenspiel bei Oma Franziska und dann schauen wir ins Feuer und hören Musik vom Plattenspieler…
Gestern hat Bärbel noch ein wunderbares Mittagessen gekocht und am Abend sind wir wieder nach Murnau zurückgefahren.

In Thann versteckt sich Kunterbunt hinter den Bäumen oder im hohen Grass.
Für dreivier Tage  sind die Nachrichten aus dem  Telefon und aus dem Computer nicht mehr so wichtig.
Es war schön einpaar Tage in der Familie zu verbringen…

In der letzten Woche habe ich die ersten zwei Freizeiten nach einer langen Pause bestätigt. Wir fahren mit einer kleinen Gruppe ins Tipidorf und dann eine Woche später zum Erlenweiherhof. Wie ganz am Anfang am Blaslhof beim Bauern Sepp üben wir jetzt wieder das verreisen in einer Gruppe - mit den neuen Spielregeln.
Das kriegen wir schon hin!
Wir fahren mit einem Bus ins Tipidorf. Dort in der Natur erwartet uns… Peter.

Simon, der die Kunterbunt Gruppe leitet sagt immer: Peter ist der Hüter das Platzes. Er hat das Tipidorf aufgebaut und er erhält es lebendig und erzählt uns Geschichten aus dem Leben in der Natur…
Im letzten Jahr hat Simon einen Bericht über diese Zeit geschrieben. Das Ankommen im Tipidorf beschreibt er so:
Schließlich waren wir am Tipidorf angekommen, trugen gemeinsam, Töpfe, Campinggeschirr, Kocher, Isomatten, Schlafsäcke, Vorräte und Gepäck in unser Camp. Und so begann unsere Woche im Tipidorf. Schon morgens machten wir ein Lagerfeuer in der Feuerjurte an, damit wir uns gleich etwas wärmen konnten, denn die Sonne kommt dort erst gegen halb elf über den Berg. Wir waren die ganze Zeit draußen und kochten in einer improvisierten Küche, auf den überdachten Werkbänken, die es dort gibt.
Einmal machten wir sogar morgens Pfannkuchen für alle. Wir kochten auch über dem Feuer, in einem großen Topf, oder einer großen Pfanne…

Simon schreibt weiter: Wir hörten alte Geschichten der indigenen Völker Nordamerikas und sangen überlieferte Lieder. Wir alle hatten einen Einblick in das Leben draußen in der freien Natur, wenn auch in einem recht komfortablen Sinn, da wir ja weder Jagen, noch Feuer ohne Feuerzeug machen mussten.
Aber die Verbindung zur Natur und wie wichtig es ist diese zu erhalten und zu schützen, wurde jedem und jeder von uns klar.
(…) Am schönsten war wohl die Gemeinschaft. Das gemeinsame Kochen. Gemeinsam zu entscheiden wie der heutige Tag gestaltet werden soll. Und die gemeinsamen Tage im Tipidorf, an denen wir keine Ausflüge machten, sondern einfach dort den Platz genießen konnten, dort mit viel Zeit entspannten, malten, tanzten und Lieder sangen….

Wie gerne möchte ich mit unserer kleinen Gruppe  mitkommen ins Pitztal. Wie gerne würde ich Tanja, die den Erlenweiherhof leitet helfen die Pferde zu striegeln. Oder wie gerne würde ich einmal ein Pferd anmalen. ..
Aber Bärbel und ich sind in der nächsten Zeit gut beschäftigt. Wir müssen uns hier um all die Freizeiten im Sommer kümmern. Wir haben die Unterkünfte gebucht, die Busse und die Fahrkarten. Viele dieser Leistungen mussten wir schon im Voraus bezahlen. Für Schottland haben wir die Flüge gebucht…. und jetzt müssen wir nach und nach herausfinden, wer im Sommer mit Kunterbunt auf Reisen geht.

Jeden Tag erhalten wir E-mails oder Telefonanrufe: Für unser Wohnheim sind die Ferienmaßnahmen nach Anweisung der Heimleitung bis Ende August untersagt. Vielleicht wird das Reisestopp für unsere Bewohner bis September oder Oktober verlängert. Leider müssen wir für den Monat August/September 20 die Kunterbuntreise aus aktuellen Gründen „Corona“ absagen. Für unsere Einrichtung kann ich leider immer noch nicht sagen, ab wann unsere Bewohner wieder teilnehmen können. Wir haben heute entschieden, dass bis Ende August keiner unser Bewohnerinnen und Bewohner eine Freizeit besucht…

Für Kunterbunt bedeuten diese kurzen Nachrichten, dass wir wieder bei Null beginnen müssen.
Die bisherige Planung war umsonst. Alles zurück auf Start …

… aber so ist das wohl in dieser wilden Zeit!

An dieser Stelle wollte ich euch alle noch einmal daran erinnern, daß wir von Kunterbunt viel finanzielles Risiko tragen. Seit über zwanzig Jahren ermöglichen wir bezahlbaren Urlaub für unsere Teilnehmer*innen.

Wir verwenden viel Energie darauf, die Reisen bezahlbar zu machen. Wir wissen, daß ihr in den Werkstätten nicht so viel verdient. Wir erzählen unseren Stiftungen und Freunden beständig von diesen Dingen. Wenn wir mit Kunterbunt auf eine Reise gehen,  können wir mit der Teilnahmegebühr  meist nur die Hälfte der Kosten bezahlen. Die Stiftungen und Firmen, die Förderer von Kunterbunt bezahlen die andere Hälfte.

Jetzt wäre auch wieder eine gute Gelegenheit sich in den Förderverein von Kunterbunt einzuschreiben!

Es ist einfach wichtig, daß ihr wisst, wieviel Arbeit es für Bärbel und mich bedeutet all die Reisen gut vorzubereiten und wieviel mehr an Arbeit es ist die Finanzierung der 87 Reisen zu organisieren.
Wir sind keine große Institution und jede Entscheidung hat direkte Konsequenzen.
Wir balancieren schon seit fünfundzwanzig Jahren in unserem kunterbunten Zirkuszelt auf dem gespannten Seil - ohne Netz.

Es tut gut mit euch zu sprechen. Bärbel hat gestern während der Fahrt zurück nach Murnau telefoniert.
Wir müssen bis Dienstag herausfinden, ob Ende August die Schottlandreise stattfinden kann. Bei den Gesprächen konnte ich die Vorfreude an einen anderen Ort zu reisen direkt spüren … ziemlich sicher kann die Reise Schottland stattfinden.

Also vor Mittag wollte ich heute mit dem Brief fertig sein. Peter aus Berlin hat noch einen Bericht geschrieben und schöne Fotos geschickt. Ich wünsche euch dass ihr gesund bleibt und nicht den guten Mut verliert.

Alles Liebe aus Murnau

Bärbel, Felix und Christian

Der Bericht von Peter  vom 4.Juni 2020
Während ich im sommerlichen Berlin auf meinem Balkon sitze, spüre ich eine warme Brise im Gesicht, die den von der Natur lange erwarteten Regen bringen soll.
Ein guter Moment um in meinen Erinnerungen an die vielen Kunterbunt Reisen, bei welchen ich dabei gewesen bin, zu schwelgen.
Viele waren es bereits und viele werden noch kommen. So schön ein Teil dieser besonderen Welt zu sein. Wenn ich meine Augen schließe habe ich die vorbeiziehende Landschaft wenn wir mit den Kunterbunt Bussen auf dem Weg zu unserem Ziel sind, noch ganz klar vor Augen.
So ein besonderer Moment wenn es endlich los geht, die Fahrzeuge sind gepackt, alle angeschnallt, die richtige CD im Radio und wir machen uns auf in ein neues Abenteuer. Viele bekannte Gesichter sind dabei und viele neue. Noch kennen wir nicht alle Namen aber schon fangen wir an ein Team zu sein.
Jede Freizeit ist einzigartig und eine Welt in sich. Ob nah oder fern, spektakulär oder gemütlich, was sie alle eint ist für mich dieser besondere Augenblick, der Kunterbunt so treffend beschreibt.
Dieser stellt sich üblicherweise nach den ersten 2 oder 3 Tagen ein, nachdem wir uns und unseren neuen Ort schon besser kennengelernt haben. Man ist miteinander vertraut, der Urlaub ist voll im Gange und irgendwie ganz unscheinbar wie von einer leichten Brise herbeigetragen, passiert dieser magische Moment.
Man kommt mit seiner Gruppe zurück ins Haus, ob nach einem kleinem Ausflug oder vom Einkaufen. Die Stimmung ist lebendig, fleißige Helfer fangen an fürs Abendessen zu schnipseln, Musik läuft im Hintergrund, oder vielleicht spielt jemand Gitarre und singt, einige tanzen, es werden Karten geschrieben, Brettspiele belagern die Tische, Geschichten vom Tag werden ausgetauscht, man hört ein lachen, viele Stimmen kommen aus allen Richtungen und ein Duft aus der Küche kündigt schon das baldige leckere Essen an.
Und plötzlich, wenn alles in diesem Fluß ist, merke ich, dass wir gerade nicht mehr ein Team sind, sondern eine Familie.
Ich bin mir sicher ihr kennt dieses Gefühl und in diesen Zeiten, während Abenteuer noch etwas warten müssen, können wir uns an genau solche Momente erinnern und sie nachempfinden. Sie sind wie ein Schatz, der nach jeder Freizeit für immer in uns bleibt.
Genau in diesem Moment während ich die letzten Zeilen schreibe, fallen hier in Berlin die ersten Tropfen vom Himmel. Die Bäume werden sich freuen.
Bleibt gesund und bis bald,
Peter