Ein Kunterbunt Brief vom 25.04.2020

Liebe Freunde von Kunterbunt e.V. , liebe TeilnehmerInnen an den Reisen, liebe Eltern, ?liebe Heimleiter, liebe Betreuende,


Ich hoffe es geht euch gut!


Heute habe ich bevor ich jetzt den Brief schreibe die E-mails angeschaut. Das war gut so!
Denn heute schreibt es sich noch viel leichter, weil ich den Brief von Robert aus Holzhausen gelesen habe. Danke für deinen Brief und es tut so gut zu hören, daß ihr die Reisen mit Kunterbunt vermisst. Es tut so gut, daß ihr die Briefe ausdruckt und den BewohnerInnen vorlest.
Dank dafür und ich freue mich darüber, daß ihr in der Arche Noah Kunterbunt Geschichten erzählt. Auch wir hoffen sehr, daß die Freizeiten bald wieder stattfinden können…


Noch früher heute habe ich schon einmal einzwei Artikel in der Süddeutschen Zeitung gelesen. Und ich muss schon sagen, mir geht es ähnlich wie dem Wirt von der „Schmalznudel“ der auf der Seite 3 sein Leid klagt. Er ist sich sicher, daß wir das Virus in den Griff bekommen müssen um Verhältnisse wie in Italien oder in Spanien zu vermeiden. Er sagt aber auch:"Der Herr Söder tut so, als hätte Gastronomie immer mit Alkohol und Vollsaufen zu tun.“
Ich bin auch der Meinung wir müssen aufhören ständig nur Bilder zu verbreiten, die Angst machen. Ich würde jetzt auch keine Werbung machen für riesige Volksfeste und Massenveranstaltungen. Aber weiterhin automatisch die ganze Gastronomie stillzulegen finde ich   nicht cool. Ich wäre dafür, daß wir  im Café vom Herrn Frischhut mit genügend Abstand und einer Bedienung mit buntem Mundschutz wieder Schmalznudel essen dürfen.


Klar machen wir uns hier in Murnau auch viele Gedanken, wie es mit Kunterbunt Reisen weitergeht. Erst einmal mit Berichten und dann auf der Kunterbunt Bühne geht es in der nächsten Woche richtig los!
Aber die Reisen … ja die Reisen haben wir jetzt erst einmal bis Ende Mai abgesagt. Manche Reisen haben wir auf den Herbst verschoben. Es tut uns so leid, aber wir müssen in dieser wilden, wilden Zeit eben alle Vorgaben der Behörden befolgen.
Aber uns fehlt langsam das bunte Durcheinander, wenn eine Reise hier im Kemmelpark beginnt. Wie schön, die vielen bekannten Gesichter zu sehen. Wie schön eure Stimmen und euer Rufen zu hören. Die BetreuerInnen haben die Busse gepackt und die Aufregung vor einer Reise erfüllt den Hof… ich würde so gerne wie ihr wissen, wann es wieder los geht!


Dann hat mich der Brief von Gabi Mooser sehr berührt. Danke dafür, du sprichst uns aus der Seele. Ich drucke den schönen Brief weiter unten ab.


In der nächsten Woche müssen wir uns ja alle, wenn wir uns eine Zeitung oder Brot kaufen eine Gesichtsmaske über Mund und Nase ziehen. Bärbel und ich haben uns bunte Masken von Anke gekauft. Anke organisiert  die Westtorhalle in Murnau. Dort finden in normalen Zeiten Konzerte, Theater und andere Kultur Veranstaltungen statt. Jetzt ist das Westtor geschlossen und Anke näht bunte Gesichtsmasken… zugunsten von Kunterbunt. Vielen Dank an Anke, Claus und Thilo, der Anke die bunten Stoffe zum Nähen geschenkt hat!
Ich werde in den nächsten Tagen herausfinden, ob es eine Möglichkeit gibt, die Masken auch zu verschicken. Wenn ja sage ich euch im nächsten newsletter am nächsten Samstag Bescheid.


Wenn ihr noch Geschichten habt von einer Freizeit, bitte schickt sie mir nach Murnau.

Heute habe ich aber einen wunderschönen, "alten" Bericht von der ersten Wellness Freizeit in Bad Dürrnberg gefunden. Den hat Klaus Thora geschrieben, vielen Dank dafür und ich habe ihn aufs Neue mit Freude gelesen!  

Gut, dann habt weiterhin eine gute Zeit

Alles liebe aus Murnau
Bärbel, Felix und  Christian

 

Hier der Brief von Gabi Mooser:

Liebe Bärbel und Christian, ich werde bald wieder gerne auf die Kunterbunt Freizeit im Urlaub fortfahren und Urlaub machen und mich erholen. Dieses Jahr im Dezember werde ich wieder mit Miriam oder Anna-Lena die Freizeiten aussuchen. Ich möchte jedes Mal auf Kunterbunt Freizeit mitfahren und mich erholen und mich ärgert es auch richtig feste, bin wütend und sauer, wo Corona da ist und wo ich im Moment nicht mitfahren konnte auf die Freizeiten, die in meinem Zimmer auf dem Zettel drauf stehen .Ich möchte dass das Corona schnell wieder weg geht und ich wieder auf die Freizeiten mitfahren kann und ich möchte gerne, dass es nicht nochmal so kommt mit dem Virus, dass man ganz normal wieder in die Werkstatt drüben gehen kann und dass man nicht mehr aufhört in der Werkstatt zu arbeiten, dass der Alltag wieder bleibt wie immer.
Wenn das Corona vorbei ist, haben wir bald auf dem Wohnheimgelände Sommerfest und ich möchte dass wir ganz normal wieder in die Geschäfte gehen können und ich möchte gerne dass die Werkstatt in Polling nächste oder übernächste Woche wieder auf machen, dass man wieder ganz normal zur Arbeit gehen kann.
Dass die Friseurin bald wieder ins Haus B kommt und allen die Haare kurz schneiden kann.
Ich gehe gerne zum Sportplatz dahinter und hole die Birkenzweige zum Spielen, ich horche gerne Musik an CD, Radio und Kassette. Ich spiele gerne Veeh Harfe  mit Annette und Anna und Susanne und ich spiele mit Miriam Gitarre und wir singen.
Ich habe manchmal schwierige Zeiten, wo man im Moment nicht in die Werkstatt rüber ham gehen können. Ich habe ganz fest weinen müssen, und traurig sein müssen.(…)
Ich wünsche euch, dass es euch gut geht. Ich habe mit euch eine schöne Zeit. Und ich habe mit euch sehr viel gemacht.Ich habe mich gerne relaxed auf der Kunterbunt Freizeit und Musik gehört.
Ich werde dich gerne wieder sehen . Liebe Grüße eure Gabi Mooser.
 
( Herzliche Grüße auch von den Haus B Betreuerinnen und viel Mut und Kraft im Miteinander das Alles gut zu durchleben.)
 
Hier der Bericht von Klaus Thora:

WELLNESS" MIT KUNTERBUNT
oder
DIE KLEINEN WUNDER VOM DÜRRNBERG


Ich fahre als Betreuer mit Kunterbunt auf die erste "Wellness" - Freizeit in das
Kneipp'sche Kurhaus Sankt Josef am Dürrnberg in der Nähe von Salzburg.    Eine Woche Erholung steht auf dem Programm, mit Kneipp'schen Kuren, Packungen, Massagen und einem warmen Meerwasserschwimmbad für unsere Gruppe mit 14 Behinderten und 4 Betreuern. Zum ersten Mal begleite ich eine Freizeit, die uns nicht auf eine eigene Berghütte, einen Campingplatz oder eine Jugendherberge führt, sondern in ein angesehenes katholisches Kurhaus voller Gäste. Auch für Andreas, dem jungen, dynamischen Leiter von Sankt Josef, ist dies ein Wagnis, ein erster Probelauf, denn noch nie hatte er eine solch große Gruppe von Behinderten zu Gast in seinem Haus.
Es ist Ende Januar 2003, und der Schnee türmt sich meterhoch am Rande der
Strasse, auf der wir mit unseren beiden Bussen den Dürrnberg hinauffahren. Die
folgende Woche werden wir das gemütliche Kurhaus, in dem wir uns bald darauf
einrichten, nicht mehr verlassen, außer für kleine Spaziergänge, bei denen wir
Schneemänner bauen und im Schnee herumtollen, denn es wird die ganze Woche über schneien und schneien und schneien. Aber es bleibt uns auch gar keine Zeit für Ausflüge in die Umgebung, denn das Programm, das uns erwartet, hält uns von morgens bis abends auf Trab.
Am ersten Tag gehen wir erst einmal alle zum medizinischen Check up. Dort
bekommt jeder sein eigenes Kurbüchlein mit dem speziell auf ihn zugeschnittenen Programm: Hans, durch seine spastische Behinderung an den Rollstuhl gebunden, bekommt Physiotherapie und eine Massage. Franz, ein Autist, soll vorsichtig an die Therapien herangeführt werden, vielleicht ein warmes Heilbad mit duftenden Kräutern und eine leichte Massage, aber ins Schwimmbad traut er sich nicht, denn er kann nicht schwimmen. Robert, der aufgrund seiner verwachsenen Füße nur mit Spezialschuhen und einem dreifüßigen Gehstock, den wir seinen "Dreizack" nennen, mühsam und schwankend laufen kann, soll oft im warmen Meerwasserschwimmbad baden gehen und wünscht sich auch eine Massage.
Holger, der Fiteste in unserem Quartett, dem nur aufgrund einer Sprachbehinderung der Weg ins "normale" Leben verwehrt blieb, möchte am liebsten von einer Frau massiert werden, wenn möglich eine junge, hübsche, denn er flirtet so gern.
Alle gemeinsam werden wir in dieser Woche außerdem noch Wassergymnastik,
Körperübungen und Salzwasserinhalationen, Fußbäder und Wassertreten
ausprobieren. Und wer sich traut, bekommt noch einen Spritzguss mit abwechselnd heissem und kaltem Wasser.
Das Programm ist voll gestopft, und wir Betreuer werden in der kommenden Woche unsere liebe Mühe haben, all unsere Teilnehmer zur rechten Zeit an den richtigen Ort zu bringen, wo das Team vom Kurhaus St. Josef sich einfühlsam und herzlich jedem Einzelnen unserer kunterbunten Truppe widmet,
Doch es herrscht Kurbetrieb, und wir sind tagtäglich inmitten der übrigen Kurgäste, die uns zunächst überrascht bis argwöhnisch begutachten. Unsere Verpflegung besorgt ein preisgekrönter Koch, der mit seinem Küchenteam jeden Tag neue Köstlichkeiten zaubert. Schon das Frühstücksbuffet mutet an wie in einem Luxushotel: verschiedenste Wurst- und Käsesorten neben einem reichhaltigen Obstkorb, fünf verschiedene Marmeladen, ein eigenes Müsli-Buffet mit Hafer-, Weizen- oder Gerstenflocken, Mandeln, Haselnüssen oder Sonnenblumenkernen, eingelegten Pflaumen, Aprikosen oder Sauerkirschen mit Milch, Sahnequark oder Topfen. Ein Frühstück wie im Schlaraffenland, so üppig und verwöhnend, dass unsere Heike auf die Frage: "Wie hättest du gern dein Frühstücksei, weich oder hart?" nur noch antwortet: "Warm!"
Und mittags geht es so weiter. Ein Salatbuffet mit 14 Schüsseln voll Salaten und
Gemüse und allein vier verschiedenen Sorten Öl. Die kunterbunte Truppe ist völlig überfordert, denn es ist Selbstbedienung angesagt, und dementsprechend bunt und übervoll mit den abstrusesten Kombinationen sind die Teller, die unsere Leute an ihre Tische zurückbringen. Und neben dem Buffet gibt es ja noch ein
Hauptgericht, das wir auf kleinen Menüzetteln schon beim Frühstück wählen
konnten: von vegetarisch, über österreichisch bis exotisch. Allein die Auswahl des passenden Gerichts ist für unsere Truppe jeden Morgen eine neue Überraschung und ein neues Abenteuer.
Die Kurgäste an den Nebentischen beobachten uns inzwischen mit wachsender
Neugier und Anteilnahme. So viel Trubel und Lebendigkeit wie mit uns hat es in
diesem Kurhaus wohl noch nie gegeben. Und wir sind ihren prüfenden Blicken
schutzlos ausgeliefert. Jede Peinlichkeit und jedes Malheur wird sofort registriert, doch die Reaktionen darauf sind herzlich - zuerst ein verständnisvolles, gutmütiges Lächeln, dann spontane Hilfe. Und am Ende fragt eine Dame sogar schüchtern, ob sie einen unserer Teilnehmer nicht auf einen Nachmittagsspaziergang mit kleinem Einkaufsbummel entführen könnte.
Am Abend, wenn wir uns nach dem Abendessen im "Felsengarten" genannten
Aufenthaltsraum zum Kniffeln, Uno spielen oder Musizieren zusammenfinden,
stehlen sich immer mehr Teilnehmer davon, um mit den anderen Kurgästen Kontakt aufzunehmen. Unser Pierre, der schon seit Jahren davon träumt und damit lebt, demnächst seine Führerscheinprüfung zu machen, findet einen Herren, der mit ihm beflissen sein uraltes Prüfungsbuch aus den siebziger Jahren studiert und ihn nach der Bedeutung der Verkehrszeichen ausfragt.
Heike hat ihre besondere Masche, mit der sie mit Menschen ins Gespräch kommt, da würde mancher Journalist vor Neid erblassen.
Sie setzt sich einfach zu einer fremden Dame an den Tisch und fragt sie: "Wie heißt du? Wo wohnst du? Hast du einen Mann? Der ist schon tot! Woran ist er gestorben? Bist du jetzt allein? Wie lebst du?" und so weiter, bis ich die gutmütige Dame aus ihrer Lebens- und Seelenbeichte wieder erlöse, indem ich Heike zu einem neuen Kniffelspiel an unseren Tisch zurückhole.
Mehr und mehr fühlen wir uns aufgehoben im Kurhaus Sankt Josef, geliebt und
bestens versorgt vom liebevollen Personal und den immer liebevolleren Gästen.
Wir wachsen zusammen, in dieser Woche, zu einer großen, kunterbunten Familie.
Und dann geschehen plötzlich und ganz nebenbei die kleinen Wunder.
Hans kommt zurück von seiner ersten Physiotherapie in seinem Leben und streckt mir im Rollstuhl seinen kaputten rechten Arm entgegen, den er bislang nur schmerzhaft
bis auf Schulterhöhe heben konnte. "Schau her!", schreit er, "Schau her!" und
streckt seinen Arm kerzengerade in die Höhe. Und um es mir zu beweisen, legt er seinen Arm über seinen Kopf und berührt mit der rechten Hand kopfüber seine linke Schulter. "Schaug her, des hob' i no nie kennar' sagt er. "Des is a Wunder!" sag' ich.
"Und wenn du so weitermachst, nachad stehst du mir am End' noch von deim
Rollstuhl auf und laufst da umananda, na hamma ein echtes Wunder vom
Dürrnberg!"
Und da lacht der Hans, und gleichzeitig schießen ihm die Tränen in
die Augen, und er sagt:" Dem Doktor Wolf, dem schenk' i wos - A Flasch'n Rotwein, weil des mag a, des woass i. Die müss' ma jetzt kaufa. Auf geht's!"
Die Flasche Rotwein haben wir ihm geschenkt, dem Doktor Wolf, und der Franz,
der Autist, ist im Meerwasserschwimmbad vom Dürrnberg zum ersten Mal
geschwommen, obwohl er's gar nicht kann. Und der Robert ist nach einer Woche Meerwasserschwimmbad mit seinem Dreizack so flott über die Flure vom Kurhaus Sankt Josef gewandert, dass man fast hätte glauben können, der Dreizack wäre sein extravaganter Spazierstock.
So geschehen die kleinen Wunder von Kunterbunt. Inzwischen schreiben wir schon den Januar 2004, und ich gehe wieder mit Hans auf Wellness - Freizeit auf den Dürrnberg.
Ob die anderen mitkommen, weiß ich noch nicht. Aber ich freue mich
schon, auf die nächsten kleinen Wunder vom Dürrnberg.